Das DEZERNAT#16 hat viele Kreativschaffende kommen und gehen sehen. Hier verwirklichen sie ihren Traum von der eigenen Werkstatt. Von den Büroräumen für die Start-up-Idee. Platz für Kundinnen und Kunden, Workshops, neues Material, eine eigene Produktion. Wir erzählen fünf der neuesten Geschichten aus dem Haus.
3D-Druck am Bau: Tische und Treppen aus dem Printer
Ein klassischer Architekt sei er gewesen, sagt Jörg Petri. Einer, der im Auftrag entwirft und dann sicherstellt, dass auf dem Bau jeder weiß, was zu tun ist. Am Ende steht ein Haus, jemand zieht ein – der Nächste bitte. „Nach 2 Jahren war mir klar: Da geht noch mehr“, sagt Petri. Also entschied er sich für ein Aufbaustudium an der renommierten Städelschule in Frankfurt und fing dort Feuer für digitales Entwerfen und Fabrikation – die Nahtstelle zwischen Technik und Design. „Bauobjekte drucken zu können, bietet die Möglichkeit, einen Plan praktisch umzusetzen“, so der Architekt. „Gleichzeitig ist 3D aber auch ein Design-Tool, mit dem sich ganz neue Idee entwickeln lassen.“
Nach dem Studium folgten sechs Jahre in einem innovativen Amsterdamer Architekturbüro, dann der Schritt in die Selbstständigkeit: In seinem Designstudio in Berlin entwarf Petri Prototypen, forschte auch für die Universität Braunschweig und baute ein Netzwerk von Experten auf. „Wir haben alles ausprobiert“, sagt er. „Stühle und Treppen gedruckt, Tische gefräst, neben Beton auch andere Druckmaterialien ausprobiert – Lehm, Puder, Bio-Kunststoff.“
Es folgten drei Jahre in Festanstellung bei BASF, für die Jörg Petri in Heidelberg den Bereich Bau für die „3D-Printing-Solutions“ aufbaute. Und im vergangenen Jahr dann wieder der Schritt in die Selbstständigkeit: Mit seinem Büro New Digital Craft, das seit Sommer im DEZERNAT#16 beheimatet ist, testet Jörg Petri die Grenzen des 3D-Drucks weiter aus. Er entwirft, designt, druckt, forscht. Eines seiner wichtigsten Ziele für die Zukunft: „Nachhaltig bauen, was morgen von Bedeutung ist.“
Filme aus Heidelberg für die Welt: „Hier können wir Gedanken und Ideen fliegen lassen“
Das wichtigste Projekt der vergangenen Jahre? Über diese Frage müssen die Inhaber der „Filmkombüse“ länger nachdenken. Vielleicht war es die Doku über einen Neonazi-Aussteiger. Das behutsame Drehen während dessen Besuchs im KZ Buchenwald. Oder der Film zum Thema Sterbehilfe, mit einem Protagonisten, der durch die Nervenkrankheit ALS vollständig bewegungslos geworden war? Und was ist wiederum mit der mehrteiligen ARD-Serie über Mannheimer Drag-Queens, die „Drags of Monnem“?
Jedes ihrer Projekte habe sie auf einzigartige Weise verändert, da gebe es kein Best-of, finden Julia Knopp und Max Damm. „Das Filmemachen hat so viele Ebenen, jedes Projekt bringt neue Herausforderungen mit sich“, so Damm, der wie seine Geschäftspartnerin vom Printjournalismus zum Film gekommen ist. „Mit jedem Projekt lernt man etwas über sich selbst und das Handwerk.“
Die drei Räume im DEZERNAT#16 seien ein Glückgriff für ihre Arbeit gewesen, sagen die Inhaber der Filmkombüse. Hier haben sie nicht nur ausreichend Platz für ihr gesamtes Filmmaterial gefunden, sondern sie sind auch auf die Atmosphäre gestoßen, die sie für ihre Arbeit brauchen. „Das Gebäude hat einen Spirit“, sagt Julia Knopp. „Hier können wir Gedanken und Ideen fliegen lassen, das ist wirklich etwas ganz Besonderes.“
Kleidung aus abgelegten Stücken: Der Fast Fashion zum Trotz
Zwei Jahre lang habe sie mit ihrer Bewerbung um ein Zimmer auf der Warteliste gestanden, erzählt Amy Jarrett. „Immer wenn ich vorbeigeradelt bin, habe ich mich darauf gefreut, dass ich irgendwann einmal zu dieser Community gehöre.“ Die Patina des Gebäudes, das Unperfekte, Freie des Zentrums – es passe zu dem, was die 36-jährige US-Amerikanerin seit jeher begeistert.
Amy Jarrett ist Slow-Fashion-Designerin, das bedeutet: Sie stellt nachhaltig produzierte Kleidung her, rettet Kleidungsstücke davor, achtlos weggeworfen zu werden. „Ich finde Mode wunderbar“, sagt sie. „Durch Kleidung können wir der Welt etwas über uns sagen.“ Die Modeindustrie mit ihrer Massenproduktion auf Kosten ärmerer Länder mache es vielen Menschen jedoch schwer, Freude daran zu haben. „Ich habe mich gefragt: Wie kann ich meine Leidenschaft und mein Talent so einbringen, dass sich die Dinge bessern?“, erzählt Amy Jarrett. Ihre Idee: Sie stöbert durch Vintage-Läden, bittet in ihrem Umfeld um abgelegte Kleidung und zum Beispiel bei Lederherstellern um Reste aus der Produktion. „Ich schneide dann alles auseinander und nähe aus den Stücken etwas ganz Neues.“ Jedes Teil, das sie in ihrem Online-Shop anbietet, ist dadurch ein Unikat.
Im Oktober hat die geborene Kalifornierin, die seit elf Jahren in Deutschland und seit drei Jahren in Heidelberg lebt, nun endlich ihren Raum im DEZERNAT#16 bezogen. Dort näht sie ihre Kleidung und entwickelt die Näh-Workshops, die sie außerhalb des Zentrums gibt. „Ich freue mich“, sagt sie, „dass ich mein Talent in diese Gemeinschaft einbringen und sicher auch von anderen lernen kann.“
Workshops für Kindergartenkinder und Schüler: „Kinder sind von Natur aus Forscher“
Man braucht nur eine Minute, um zu erkennen: Lilia Ermlich hat einen Riesenspaß an dem, was sie tut. Die Brasilianerin erzählt, erklärt, lacht und flitzt zwischendurch hin und her, um ihr Arbeitsmaterial für den nächsten Kinder-Workshop zu zeigen. Die Querschnitte eines Fichtenstamms, die Setzlinge, das Bröckchen Baumharz – im „Lilika ZauberLab“ geht es diesmal um Bäume. Und um Kaugummi. „Die meisten Menschen wissen nicht, dass ein herkömmliches Kaugummi aus Erdöl besteht“, sagt die promovierte Agraringenieurin. In einem der Workshops erfahren die Kinder deshalb nicht nur, wie Bäume wachsen und warum sie Sauerstoff in die Atmosphäre abgeben. Sondern am Ende nehmen sie auch ihren eigenen, selbsthergestellten Kaugummi mit nach Hause – biologisch abbaubar und mit weniger Zucker.
Für Lilia Ermlich ist es eine große Erleichterung, dass sie ihre stark nachgefragten Wochenend-Workshops und Ferienkurse nach fünf Jahren Kurzmiete nun in ihrem eigenen Raum im DEZERNAT#16 anbieten kann. So muss sie zum Beispiel die vielen kleinen Mikroskope nicht mehr jedes Mal hertransportieren. Und sie hat Platz für kleine Tische und Stühle, sodass sie auch ein Programm für Kindergeburtstage anbieten kann. Mit den Vier- bis Zehnjährigen begibt sie sich dann mal in die Welt der Bäume und Kaugummis, mal geht es um Dinosaurier, mal um Computer. „Kinder sind von Natur aus Forscher“, sagt Lilia Ermlich. Auf ihre neuen Workshops im Lilika ZauberLab freut sich die Ingenieurin schon. Da wird es unter anderem um Ameisen gehen…
Fotos als Ausschnitte der Wirklichkeit
Nach dem Realschulabschluss hatte Laura Pecoroni zunächst einen klassischen Weg eingeschlagen: Sie ließ sich in einer kleinen Werbeagentur zur Grafikerin ausbilden. „Aber es entsprach nicht meiner Vorstellung von Moral, dass ich mein Talent einsetze, um Menschen sinnlose Dinge zu verkaufen“, sagt sie. Also hängte die gebürtige Heidelbergerin doch das Abitur an und begann anschließend in Mannheim Kommunikationsdesign zu studieren. „Ich habe mich sehr schnell für den Fotografie-Zweig begeistert“, erinnert sich Laura Pecoroni. Nach der Pandemie absolvierte sie deshalb ihr Praxissemester bei einem Fotografen, lernte noch mehr über den richtigen Augenblick, den richtigen Ausschnitt, die beste Beleuchtung.
Nach dem Bachelor beginnt die damals 26-Jährige beim Kehrer Verlag zu arbeiten, für den sie auch heute noch in Festanstellung tätig ist. Doch ihrer Leidenschaft für die Fotografie blieb sie treu und bewarb sich im vergangenen Jahr für den Master-Studiengang bei der renommierten Folkwang-Universität in Essen. Dass sie angenommen wurde, war ein großer Gewinn, findet sie. „Ich lerne dort die für mich perfekte Mischung aus Praxis, Philosophie und Wissenschaft“, sagt sie. Sie sieht viele Dinge seither mit neuen Augen, fotografiert, was ihre Aufmerksamkeit erregt und weiß, dass sie damit selten die ganze Wahrheit ablichtet. „Für mich gibt es keine dokumentarische Fotografie“, sagt sie. „Fotos sind immer subjektiv, nur ein Ausschnitt der Realität.“