„Ich bin nur vergesslich“, sagt Inge (80). „Es gibt Schlimmeres. Ich habe keine Schmerzen.“

Inge hat Demenz – wie rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland. Das Besondere: Sie ist Teil einer Ausstellung. Zwölf großformatige Porträts, Fotodruck auf Holz, hatten ihren ersten Publikumskontakt diesen Sommer in der Heiliggeistkirche. Nun gehen die Bilder auf Wanderschaft – werden in der Landesgartenschau in Überlingen erwartet, beim Deutschen Seniorentag in Hannover und beim Katholikentag in Stuttgart.

Susanne Lencinas und Jule Kühn, Fotografin und Künstlerin aus dem DEZERNAT#16, haben die Seniorinnen und Senioren vor die Linse geholt, viele von ihnen mit Demenz. Das Ergebnis sind ausdrucksstarke Porträts – eine künstlerische Hommage an jeden einzelnen Porträtierten. Sie sitzen Modell wie auf Ölgemälden aus vergangenen Dekaden. Gucken verträumt, ernst oder verschmitzt, und wirken dabei allesamt entrückt unter einer dichten Zugabe von Blumen und Blüten aller Art.

„Aufgeblüht“ ist der Name der Ausstellung, die Awareness für Menschen mit Demenz schafft.

Dabei ist „Aufgeblüht“ viel mehr als eine Ausstellung. Die Fotogalerie unterstützt die Lokale Allianz für Menschen mit Demenz gemeinsam mit der Akademie für Ältere und wird gefördert vom Bundesfamilienministerium. Miriam Milewski, Projektkoordinatorin von der Akademie für Ältere, sagt:

„Die Bilder sind ein Türöffner für Vorträge und Gesprächskreise rund um Demenz, ein oft mit Ängsten und Vorurteilen besetztes Thema.“

Ziel des Projekts: „Für Demenz sensibilisieren – und Menschen mit Demenz die Teilhabe am kulturellen Leben ermöglichen“, so Miriam Milewski. Die Fotosessions selbst leisteten einen Beitrag zur Teilhabe: Seniorinnen und Senioren, die wenig Begegnungen haben, selten oder nie an kulturellen Ereignissen teilnehmen, und die aufgrund ihrer Erkrankung teilweise zurückgezogen leben, standen dafür einen Nachmittag lang im Mittelpunkt. Sie gestalteten ihren Fototermin aktiv mit – vom Kennenlernen und Kaffeetrinken über den Aufbau von Blumen und Hintergrund bis hin zum Moment des Auslösens.

Susanne und Jule denken gerne an die Begegnungen zurück: „Unsere Gastgeberinnen und Gastgeber sind regelrecht aufgeblüht, haben viel von früher erzählt und haben sich über die gemeinsam verbrachte Zeit gefreut“, erzählt Jule Kühn. Etwas Besonderes war die Privatatmosphäre: Fast immer wurde in der Wohnung oder im Pflegeheim fotografiert – immer unter Berücksichtiung der Möglichkeiten und Bedürfnisse der Porträtierten.

Inge trafen sie im betreuten Wohnen. Sie war früher Lehrerin für Sport und Musik. Und sie mag den Geruch von Zigarettenrauch sehr gerne – er erinnert sie an ihren Vater.