Seit dem 1. Oktober ist sie im Amt: Martina Pfister, die neue Bürgermeisterin für das Dezernat V „Kultur, Bürgerservice und Kreativwirtschaft“. Ein Interview über Musik, Betriebswirtschaft im Kulturbereich und was Kreativschaffende in Heidelberg erwartet – und wie Martina Pfisters vielseitiger Background in ihre neue Rolle hineinwirkt.

Liebe Frau Pfister, Sie sind Juristin von Beruf, Unternehmensentwicklerin und Prozessoptimiererin, sind ehrenamtlich und kulturell vielseitig engagiert. Da bleiben nur wenige Stunden für Freizeit. Wenn Sie unterwegs sind – wo trifft man Sie an?

Martina Pfister: Ich besuche am liebsten kulturelle Veranstaltungen. Das Angebot in Heidelberg und Umgebung ist vielseitig und das genieße ich sehr. Gerade war ich bei der Neueröffnung von Gloria und Gloriette nach dem Eigentümerwechsel. Tatsächlich freue ich mich, dass ich jetzt wieder öfter kulturelle Veranstaltungen besuchen darf und ich den Luxus habe, dass das von mir in meiner neuen Position geradezu erwartet wird! (lacht). Bei mir zu Hause steht die eigene Musik im Fokus.

Sie haben zum 1. Oktober das Amt als Bürgermeisterin angetreten, als Nachfolgerin von Wolfgang Erichson. Welche Bereiche fallen in Ihr Dezernat?

Pfister: Als Dezernentin für Kultur, Bürgerservice und Kreativwirtschaft habe ich die Stadtverwaltung mit Bürger- und Ordnungsamt inklusive der Ausländerbehörde in meinem Verantwortungsbereich. Insbesondere die Situation in der Ausländerbehörde ist sehr belastend und die Mitarbeitenden haben meine vollste Hochachtung für das, was sie täglich leisten. Hier Entlastung zu schaffen, ist eines der dringlichsten Themen. Zudem habe ich das Amt für Digitales und Informationsverarbeitung unter mir, sowie die Stabsstellen Kultur- und Kreativwirtschaft und Literaturfestival FeeLit, das Kulturamt, die Geschäftsstelle des Interkulturellen Zentrums, das Kurpfälzische Museum, die Musik- und Singschule, aber auch die Stadtbücherei, das Stadtarchiv oder das Standesamt.

Stichworte Kultur und Kreativwirtschaft: Wie grenzen die sich voneinander ab?

Pfister: Der Kulturbetrieb wird eher dem Kulturamt zugeordnet und die Kultur- und Kreativwirtschaft der entsprechenden Stabsstelle, aber beides ist Teil des Dezernats V. Rein formal gilt Kreativwirtschaft als Broterwerb und Kultur als „Freie Kunst“, was sich aber nicht ausschließt, sondern ergänzt. Kreativwirtschaft ist grundsätzlich darauf ausgerichtet, dass man beispielsweise als Fotograf ein Fotoshooting mit der neuen Bürgermeisterin macht, um dann wieder finanziellen Raum zu haben, auch künstlerisch tätig zu sein. Ich finde es gut, dass beides unter einem Dezernat ist. So können wir Synergieeffekte optimal nutzen.

Es klang schon an: Sie sind Musikerin?

Pfister: Ja, meine Freizeit widme ich meinem Orchester, in dem ich selbst spiele. Gegründet habe ich es zusammen mit meinem Mann, meiner heutigen Schwägerin und meinem Bruder. Wir spielen alle Saxophon und das Ensemble ist vor 26 Jahren aus einem „Familien-Quartett“ heraus entstanden. Angefangen haben wir mit Auftritten in Tübingen und Umgebung, heute haben wir Tournéen mit Konzerten in der Carnegie Hall, in der Sydney Opera und im Goldenen Saal in Wien und sind sehr stolz darauf, seit so langer Zeit auf einem guten Niveau spielen zu dürfen.

Sie kommen von einer weltweiten Musikerinnenkarriere zurück nach Heidelberg. Das klingt nach einem sehr umfangreichen Ehrenamt. Was nehmen Sie davon mit in Ihre neue Position?

Pfister: Musikerinnenkarriere ist übertrieben, wir agieren als Laien, was für den Kulturbereich meines Dezernates aber sicherlich von Vorteil ist, da ich damit auch die Herausforderungen der Künstlerinnen und Künstler kenne. Ich weiß, was es heißt, sich finanzieren zu müssen, sich ein Netzwerk zu erarbeiten und die Presse von sich zu überzeugen. Ich denke, dass ich auch in meiner neuen Rolle netzwerken kann, mit dem Ziel, dass die „Neueren“ im Kulturbetrieb von der Strahlkraft der „Etablierteren“ profitieren können.

Haben Sie da ein Beispiel für Heidelberg?

Pfister: Ein gutes Beispiel ist sicherlich das diesjährige Musicalprojekt mit meinem früheren Arbeitgeber, dem Heidelberger Frühling. Zahlreiche Musiker inklusive des Projektleiters waren und sind Classic Scouts beim Heidelberger Frühling. Während der Coronazeit sind sie in Kontakt geblieben und haben den „harten Kern“ des Musicalteams gestellt. So gibt es eine „Geschichte“ zwischen Musical und Heidelberger Frühling, die es uns ermöglicht, einen Teil der Kontakte und Werbeplattformen des großen Festivals mitnutzen zu können. Das war ein wichtiger Schritt für das junge Projekt und eine Bestätigung für das etablierte Festival, dass sein Nachwuchskonzept aufgeht.

Solche Win-Win-Situationen mehr zu fördern ist mir ein echtes Anliegen. Auch meine beruflichen Schwerpunkte möchte ich nutzen. Ich war Geschäftsführerin und Marketing-Leiterin. Da habe ich gelernt, einen gewissen Fokus zu setzen und Dinge betriebswirtschaftlich zu betrachten.

Was bringen Sie für Erfahrungen aus der Unternehmensleitung mit?

Pfister: Als Marketing- und Vertriebsleiterin bei der Geuder AG in Heidelberg konnte ich eine Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit aufbauen und mir viel Erfahrung im nationalen und internationalen Markenmanagement aneignen. Als Geschäftsführerin der indischen Tochter Geuder Asia Pacific lag ein Schwerpunkt auch auf dem interkulturellen Austausch. Als Leiterin Strategie- und Unternehmensentwicklung habe ich ein millionenstarkes IT-Projekt geleitet und Grundlagen für meine spätere Arbeit als Prozessmanagerin gelegt.

Als Leiterin Unternehmensentwicklung für das Zentral­institut für Seelische Gesundheit in Mannheim hatte ich die Gelegenheit eine eigene Prozessoptimierungs-Schule zu etablieren, die unmittelbar bei den Mitarbeitenden ansetzt. Erfahrungen, die ich gerne in den Optimierungsprozess der kommunalen Verwaltungen mit einbringen möchte. Es ist großartig, wenn es gelingt, Akteurinnen und Akteure an einen Tisch zu bringen und im Team übergreifend und nachhaltig Lösungen zu erarbeiten.

So ist das Prozessmanagement im Laufe der Jahre zu einem meiner beruflichen Steckenpferde geworden. Auch für meine Arbeit als Dezernentin erhoffe ich damit einen Mehrwert einbringen zu können. Ich möchte Transparenz und klare Strukturen etablieren, die im Kulturbereich noch nicht flächendeckend angekommen sind. Darunter fällt beispielsweise die klare Definition von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten.

Was sind Ihre Anliegen für die Heidelberger Kultur- und Kreativwirtschaft?

Pfister: Mir ist wichtig, die Vielfalt der Kultur und der Kreativbranchen zu erhalten und weiter zu fördern. Diese Vielfalt ist genau das, was Heidelberg ausmacht. Nicht zuletzt um Heidelberg als Wohn- und Arbeitsort attraktiv zu halten.

Konkret arbeiten wir daran, indem wir im DEZERNAT#16 und bald auch in den Alten Stallungen Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Räume sind wichtig, um sich entfalten zu können. Wir wollen die Bedürfnisse unserer Kreativen gut kennen und gezielt Rahmenbedingungen schaffen, die für das Wachstum und die Entwicklung neuer Branchen notwendig sind. Mit dem Games Hub und KI wächst gerade eine ganz neue Sparte heran. Aber genauso wichtig ist die Erhaltung von traditionellem Kunsthandwerk, das sonst in Vergessenheit geraten würde. Auch das haben wir in Heidelberg. Alle diese Branchen sollten in ihrer Unterschiedlichkeit Raum haben.

Vielen Dank für das Gespräch! Zu guter Letzt: Was wollten Sie der Kultur- und Kreativwirtschaft schon immer mal sagen?

Pfister: Dass ich sehr froh bin, dass die Künstler und Kreativen da sind. Es hat einen sehr hohen Wert für Heidelberg, Kreativschaffende in dieser Vielfältigkeit und dieser Qualität hier zu haben.