Nach ihrer Krebsdiagnose fand die Texterin Cosima Stawenow Zuflucht und Trost in Gedichten. Ihre Lyrik, die sie seither schreibt, erscheint nun als Buch, auch dank einer sehr erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne. Im Interview erzählt die 42-Jährige vom Auf und Ab der letzten zwei Jahre – und warum aus ihren Gedichten nicht nur Traurigkeit spricht.

Liebe Cosima, erzähl uns, was du beruflich machst und was dich ins DEZERNAT#16 gebracht hat.

Ich bin als freiberufliche Texterin ins D#16 gezogen, das war 2020. Viele Aufträge hatte ich schon damals für die Leading Edge Kommunikation entgegengenommen, wie die externe Unterstützung der Pressestelle der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Oder auch selbst entwickelt, wie in dem Projekt „Mobbing & Du“ für die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik. Seit 2022 bin ich zusammen mit Dirk Welz geschäftsführende Gesellschafterin von Leading Edge.

Seit einiger Zeit arbeitest du nicht nur im Auftrag, sondern schreibst auch Gedichte. Wie ist es dazu gekommen?

2021 bekam ich die Diagnose Gallengangskrebs. Eine ganze Woche lang wurde ich im Krankenhaus Salem untersucht, parallel plante und redigierte ich wie immer Texte an meinem Laptop. Ich weiß noch, wie ich auf dem Dach des Krankenhauses saß und einen Vertrag mit einem Kunden am Telefon einfädelte. Aber dann gab es so etwas wie einen Blackout, mein Gehirn konnte sich auf nichts Gegenwärtiges mehr konzentrieren.

Die Diagnose war bestimmt ein Schock. Wie bist du damit umgegangen?

Ich fing an, mein Leben von hinten zu betrachten. Vom Tod aus, denn Gallengangskrebs verläuft in den allermeisten Fällen unheilbar. Mit der ersten großen OP hörte ich auf, Zeit als etwas Lineares zu erfassen und jede neue Aufgabe als eine Challenge zu betrachten. Bis heute ist die Zeit, ist das Leben für mich ein Auf- und Abstieg. Mal ist man näher an der Wahrheit der Dinge, mal weniger.

Mit dem Mindset fing ich an, Gedichte zu schreiben. Dazu hatte mich ein Pfleger im Uniklinikum ermutigt, indem er mir Gedichte vorgetragen hatte. Wir hatten beide in einem früheren Leben Literaturwissenschaft studiert – nur wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich meine tiefsten Gefühle in Gedichten ausdrücken konnte.

Du veröffentlichst deine Gedichte jetzt mit einem Crowdfunding. Wie gelingt dir das?

Mit dem Crowdfunding, das ich im November angestoßen habe, war ich schneller erfolgreich als ich es mir jemals erträumt habe. Jeder kann Geld spenden – und eine Menge Verwandte und Freunde haben das getan. Auch die RNZ hat berichtet.

Ich möchte mit dem Geld nicht nur die Produktionskosten für mein Buch wieder reinbekommen. Ich habe laufend hohe Ausgaben, dazu kommen mein Testament und meine Grabstätte, und das alles, während ich auf die Erwerbsminderungsrente zusteuere.

Deshalb habe ich mich entschlossen, meine persönliche Geschichte zu erzählen und das Spendenziel auf 12.000 Euro zu setzen. Das Ziel wurde am 20. November erreicht – alles darüber hinaus kommt meinen drei Kindern (7, 9 und 14 Jahre) direkt zugute.

Warum ist es dir so wichtig, dass ein Buch daraus wird?

Ein eigenes Buch zu veröffentlichen, Autorin zu sein, ist mein Kindheitstraum. Letztens habe ich gelesen: „Lebe so, dass dein Achtzigjähriges und dein Achtjähriges Ich stolz auf dich sind!“ – Mein Achtjähriges Ich ist definitiv sehr stolz auf mich.

Deine Gedichte sind oft gefühlvoll, aber aus den meisten sprechen nicht die Verzweiflung oder die Trauer, die man erwarten würde. Manche wirken fast fröhlich. Stimmt diese Wahrnehmung? Woher nimmst du diese Kraft?

An das Leben nach dem Tod zu denken, hat für mich etwas Tröstliches – ich fokussiere mich auf den Glauben und die Hoffnung, dass ich von Gott aufgenommen werde und Eins mit allem jetzt noch so Desolaten und Verstreuten bin. Dieses Einswerden ist wie ein Puzzleteil, das in ein unendlich großes Puzzle passt, oder eine Träne, die restlos mit dem Ozean verschmilzt. Daneben gibt es die Angst vor dem Unbekannten und das Ausgeliefertsein, die ich auch in meinen Gedichten unterbringe. Aber immer auf der Suche nach dem, was uns alle als Lebewesen verbindet. Denn wir müssen alle sterben. Deshalb gibt es Gedichte wie

Gesegnet bist du

Mit den Ufern für immer vereint

Mit Wind und Wetter, der Weite

Um die Wette geweint

Und Verlust ist Gewinn.

Wer Tränen verliert, der addiert sie

Zum Ozean und zum ewigen Sinn.