La Halle Tropisme ist Montpelliers Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft. Unternehmen aus den Bereichen Games, Film und Animation sind hier stark vertreten. Was zieht Akteurinnen und Akteure aus den kulturellen und kreativen Berufen nach Montpellier – und welche Förderungen erwarten sie? Darüber haben wir uns bei einem Besuch in Heidelbergs Partnerstadt informiert.

Ein wenig außerhalb des Zentrums von Montpellier auf einer Baubrache steht sie: eine riesige Halle, die bis vor wenigen Jahren dem Militär zur Reparatur von Panzern diente. 2019 gegründet, beherbergt die Halle Tropisme aktuell 90 Unternehmen mit rund 300 Akteurinnen und Akteuren aus allen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft auf 10.000 Quadratmetern.

Eine Halle für Wachstum

Die Halle Tropisme von außen. Vor der Halle stehen Stühle, Tische und Sonnenschirme. Der Himmel ist blau (Bild: Leading Edge).

Die Halle Tropisme

Tropismus bedeutet in etwa: sich gegenseitig zum Wachsen anregen, vermehren. Ein Begriff aus der Biologie, der das Wachstum von Pflanzen beschreibt. Der Name ist Programm: Die mehrteilige Halle ist ein Labyrinth aus zahlreichen kleinen und großen Arbeits-Containern. Manche Büros liegen auf Emporen, sind verbunden durch Seiteneingänge und Treppen. Künstlerinnen und Handwerker finden sich in kleineren Bauten auf dem Außengelände sowie in der nahegelegenen Künstlerhalle.

Zum Vergleich: Im DEZERNAT#16, der ehemaligen Feuerwache Heidelbergs, arbeiten derzeit rund 85 Freelancer und Unternehmen. Rechnet man die beiden Coworking-Spaces hinzu, sind rund 250 Personen im D#16 tätig. Künstler und Kreative arbeiten in beiden Städten in einer ehemaligen Großgarage, nutzen ihr Café als Zentrale und Netzwerk-Treffpunkt. Feste Mieterinnen und Mieter treffen auf Akteure und Organisationen, die sich zu Workshops und Festivals einmieten. Der Betrieb läuft auf Zeit, in Heidelberg gibt es nach einigen Verlängerungen aktuell eine Laufzeit bis 2025, in Montpellier ist voraussichtlich 2030 Schluss: Dann muss die Brutstätte der Kultur und Kreativität dem Wohnungsneubau weichen.

Der Betrieb

Jeanne Chevalie (links) ist stellvertretende Geschäftsführerin der Halle und Valérie Chaillou (rechts), verantwortlich für die Förderung von Kreativunternehmen in der Metropolregion Montpellier.

Jeanne Chevalie (links) ist stellvertretende Geschäftsführerin der Halle und Valérie Chaillou (rechts), verantwortlich für die Förderung von Kreativunternehmen in der Metropolregion Montpellier.

Seit 2019 trägt eine Betreiberagentur als Teil eines größeren Kollektivs die Arbeit der Halle Tropisme. „Die Halle mieten wir von der Stadt, unsere Miete müssen wir zu hundert Prozent selbst erwirtschaften“, erklärt Jeanne Chevalier, stellvertretende Geschäftsführerin der Halle.

Die Unternehmen, die sich hier ansiedeln, werden nicht mit günstigen Mieten unterstützt, wie im DEZERNAT#16 der Fall. Stattdessen finden Freelancer und kleine wachsende Unternehmen hier eine auf sie zugeschnittene, mitwachsende Raumsituation zum Marktpreis: „Open Spaces“, Coworking-Einheiten, sowie geteilte und komplette Büros für bis zu zwanzig Mitarbeitende.

Die Halle Tropisme ist auch als Veranstaltungshaus bekannt. Konzerte, Festivals, Ausstellungen, Partys repräsentieren kulturelle Vielfalt abseits des Mainstreams. Alleine drei von zwölf Angestellten der Betreiberagentur kümmern sich um den Kulturbetrieb auf den Bühnen in der Halle und auf dem Außengelände. Außerdem haben soziale Initiativen einen Platz: Gleich zwei haben ihre Kleider- und Essensausgaben auf dem Gelände. Direkt daneben gackert der betriebseigene Hühnerhof. Ein ausgedienter Bus dient als Partylocation. Die Halle Tropisme bildet so nicht nur die ganze Bandbreite von Kunst, Kultur und Kreativität ab, sie strahlt auch viel Persönlichkeit aus.

Starker audiovisueller Sektor

Der Fokus der Kreativwirtschaft in Montpellier liegt hingegen auf Games, Animation, Film- und Tonproduktion. Das hat Geschichte: Im Jahr 1994 eröffnete Ubisoft, eine weltweit erfolgreiche französische Produktionsfirma für Computerspiele, einen Standort in Montpellier. Damit war der Biotop geschaffen für zahlreiche weitere Ansiedlungen und Neugründungen. Heute hat France Télévisions ein wichtiges Standbein in Montpellier mit drei täglichen Shows sowie einer hier gedrehten Serie. Weitere Serienproduktionen für Netflix und TV, auch aus dem Bereich der Animation, stammen aus der Region.

„Montpellier ist attraktiv für Branchenriesen, Start-ups und Freelancer aus Animation, Games, Ton und Film.“ Das sagt Valérie Chaillou, verantwortlich für die Ansiedlung von Kreativ­unternehmen in der Metropolregion Montpellier. Ihre Aufgabe ist es, junge Unternehmen in ihrer Entwicklung zu unterstützen, indem sie Räumlichkeiten und Netzwerkpartner vermittelt. Zahlreiche weitere Beratungsagenturen kümmern sich um Neugründungen, wie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft AD’OCC, die Neuansiedlungen auch aus dem Kreativbereich in der Region Okzitanien unterstützt.

Savoir vivre

Montpellier soll ein attraktiver Standort vor allem für gut Ausgebildete bleiben. Valérie betont: „Durch die Hochschulen ESMA und ArtFX haben wir Absolventinnen und Absolventen aus den Design- und IT-Berufen, Animation und Videogames direkt vor Ort. Wenn wir weiterhin attraktiv für Unternehmen aus der Video- und Games-Branche sind, bleiben diese Professionellen auch nach ihrem Studium in Montpellier – und unsere Stadt als Wohnort attraktiv.“

Der Plan geht auf – und das liegt nicht nur an den Fördermaßnahmen. Immer wieder treffen wir bei unserem Aufenthalt auf zugezogene Kreative aus Paris, die Montpellier wegen des südlichen Flairs, den vielen Sonnenstunden und der Nähe zum Meer zu ihrer Wahlheimat erklärt haben.